Tafelbild – Bildskulptur

Gerd Kanz ist Maler und Bildhauer zugleich. Pulsierende Farbästhetik und die ungewöhnliche Raffinesse der Oberflächen­struktur lassen die Begegnung mit seinen Bildern zum visuellen Erlebnis werden. International ist Kanz regelmäßig mit Einzelausstellungen unter anderem in New York und Amsterdam erfolgreich vertreten. Mit dieser nun mittlerweile siebzigsten Einzelausstellung bietet er – seit sieben Jahren erstmals wieder – auch in seiner Coburger Heimat einen umfassenden Einblick in sein aktuelles Werk: 60 Tafelbilder – vom kleinen Tafelbild bis zu Formaten mit nahezu zwei Metern Breite – schmücken die Beletage von Schloss Callenberg. Ein Großteil dieser Arbeiten entstand in bewusstem Ortsbezug zum ehemaligen Wohnsitz der Herzöge und korrespondiert mit dem besonderen Charme dieser Räume.

Das Faszinierende seiner abstrakten Kompositionen liegt im subtilen Zusammenspiel von Linie, Farbe und dem schatten­bildenden Relief der Tafeloberfläche. Damit definiert sich das Experimentierfeld der einzigartigen Arbeitstechnik, welche Kanz über Jahre individuell entwickelt und perfektioniert hat. Die Ausgangsmaterialien sind Öl, Tempera und Holz, woraus der Maler seine variationsreiche Bildwelt zaubert. Bildträger ist die feste Holztafel. Ihre Oberfläche wird mit dem Stechbeitel feinteilig oder in großzügiger Linienführung aufgebrochen. Bei diesem skulpturalen Vorgang geht Kanz in seinen jüngsten Arbeiten noch einen Schritt weiter: Die Tafel wird partiell gesprengt und modifiziert wieder zusammengefügt. Dadurch entsteht der plastisch durchgestaltete Untergrund für das – gerade in den aktuellen Arbeiten – dominante Liniennetz der Bilder.

Der besondere Charakter dieses Liniennetzes ist gebunden an den außergewöhnlichen Vorgang der Entstehung. Denn ihren Ursprung besitzt die Linie bei Kanz nicht vorrangig im später begleitenden Farbauftrag der geschmeidigen Pinselführung, sondern sie ist unverrückbar vorgeformt durch das plötzliche Eindringen des Stechbeitels. Unter der Wucht des schnellen Schlags stemmt sich das Eisen in das rohe Holz und »wandert« – in kurzen Schritten, von Kanz immer wieder neu angesetzt – langsam über die Fläche. Kanz »zeichnet« so das grafische Gerüst seiner Bildkomposition. Abrupt wechselnder Richtungs­ansatz und schroffe Gratigkeit der Stichränder werden zu ausdruckshaften Spuren des Wechsels zwischen Krafteinfluss und Verletzung. Bei diesem bildhauerischen Vorgang schätzt Kanz gerade die durch den Kraftaufwand resultierende Verzögerung der Formfindung, denn sie gibt ihm Zeit, um Zufall und Kontrolle in Ausgleich zu bringen.

 Diese Verknüpfung von Spontanität und Korrektur ist bei Gerd Kanz ein gesuchtes und beherrschendes Grundprinzip. Sie spiegelt sich bereits in seiner konzeptionellen Arbeitsweise. Die Bilder entstehen nicht einzeln nacheinander sondern parallel in Gruppen und eingebunden in einen streng eingehaltenen Arbeitsrhythmus. Pro Jahr entsteht so eine in sich abgeschlossene Bilderserie mit einem spezifischen form- und farbkompositorischen Grundthema, das variationsreich und auf unterschiedlichen Formaten in jede Richtung ausgelotet wird. Die verbindende Einheit seiner vielteiligen Jahresproduktion erreicht Kanz durch serielles Arbeiten und ein disziplinierendes Zeitraster. Zu Jahresbeginn wird das formale Grundthema parallel, in einer Vielzahl von kleinen Formaten, breit variiert angelegt. Die Weiterentwicklung auf immer größer anwachsende Bildflächen erfolgt im Verlauf der nächsten Monate. Dabei wird ein konsequenter Arbeitsplan eingehalten: Pro Monat widmet sich Kanz ausschließlich einem Format – wobei die kleine Bildfläche den Formfindungsprozess eröffnet und das Großformat den Abschluss bildet.

Der freiwillig auferlegte Zeitrahmen regiert jedoch nicht nur die Jahresproduktion, sondern bestimmt selbst den monatlichen Entstehungsprozess der jeweiligen Formatgruppe: In der ersten Monatshälfte erhalten die Tafeln ihre skulpturale Formgebung – zur Monatsmitte beginnt die malerische Behandlung der Reliefoberfläche durch den Pinsel. Dabei behält Kanz immer die gesamte Formatgruppe im Blick und arbeitet gleichzeitig an den nebeneinanderliegenden Tafeln. So kann er im ständigen Vergleich frei experimentieren, ohne die Kontrolle über die Einheit zu verlieren. Die monatliche Serie wird in der verfügbaren Dauer vollständig abgeschlossen, erst dann fällt die endgültige Entscheidung, was dauerhaft Bestand hat und was nicht.

Mit der kritischen Auslese der kleineren Formate bereitet Kanz den Weg zur nächsten Entwicklungsstufe, denn »in jedem Scheitern liegt eine neue Chance«. Diese Erkenntnis formuliert den charakteristischen Formfindungsprozess seiner Groß­formate aus den letzten Jahren: Ein kleineres Bild, das den Erwartungen nicht entspricht, kann den inspirierenden Kern zu einer neuen Komposition bieten. Kanz überarbeitet und erweitert die Bildtafel durch unregelmäßige Anstückung und integriert sie als »Bild im Bild«. Der additive Vorgang einer schrittweisen Erweiterung um ein einzelnes Kernmotiv kann sich mehrfach wiederholen und bleibt, nicht immer – aber häufig, bewusst optisch nachvollziehbar. Die dadurch neu entstandene plastische Linienstruktur korrespondiert als oszillierende Rahmenfassung mit dem Liniennetz des Oberflächenreliefs.
– Auf sämtlichen Bildern von Gerd Kanz konkretisiert sich innerhalb des komplexen Liniengebildes immer ein dominantes Formmotiv, das der vorherrschenden Gitterstruktur deutlich entgegenwirkt und die Tafel eigenständig überspannt. Dieser zentral ausgreifenden Bewegung arbeitet Kanz nun in seinen neuen großformatigen Arbeiten durch den zusätzlichen Einsatz der Rahmenfassung dynamisch entgegen und bannt die Bewegungskraft konzentrisch nach innen.

Zum Liniengebilde tritt machtvoll die Farbe. Ihr Einsatz verleiht Substanz und räumliche Tiefe. Doch ihr entscheidendes Wesen liegt in der betörenden Leuchtkraft, die Kanz mit seinem Pinsel verdichtet. Der behutsame Farbauftrag erfolgt Schicht um Schicht und umschließt das plastische Relief der Tafel. Die nahsichtige Wirkung erzeugt reizvolle Assoziation zu rauh gewachsenen Strukturen der Natur oder weckt die Erinnerung an den glatten Schmelzverlauf keramischer Glasuren. Aus der Ferne hingegen erfährt der Beschauer des Tafelbildes die magische Intensität eines Licht-haltigen Farbraums. Ob nuancierte Monochromie oder buntfarbige Kontraste – Gerd Kanz beherrscht virtuos die breite Palette koloristischer Zusammenhänge. Seine Malerei ist ein deutliches Bekenntnis seiner tiefen Verehrung für die unendliche Schönheit von Farbe.

 Dr. Franziska Bachner, Stiftung der Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha’schen Familie, Coburg

„Ein Bild ist dann gut, wenn es etwas sichtbar macht und zugleich ein Geheimnis bewahrt.“

Über Gerd Kanz

Was Kunst sei, wird gerne gefragt. Kurze und einfache Antworten sind beliebt, sie dürfen auch gerne mal banal sein. Wer aber der Mühe einer differenzierten Betrachtung aus dem Weg geht, begibt sich der Freude des Verstehens und verzichtet auf das Vergnügen der Kennerschaft. Und wenn ein Rest unerklärt oder unverstanden bleibt – oder sogar bleiben sollte, wie Gerd Kanz es postuliert – so erhält sich gerade dadurch der Impuls, eine künstlerische Arbeit stets aufs Neue zu überprüfen.

Zur Kennerschaft gehört auch, ein Werk als etwas Gewordenes zu betrachten, und sich über dessen Entstehungsprozess Klarheit zu verschaffen. Die Bilder von Gerd Kanz bieten in ihrer farblichen Subtilität und ihrem formalen Reichtum sensualistische Reize und visuelle Erlebnisse, die nicht das Resultat eines spontanen, schnellen Malvorgangs sind. Vielmehr verdanken sie ihre Entstehung einem über längere Zeit sich erstreckenden Schaffensprozess an der Schnittstelle von Zeichnung, Malerei und Skulptur. Sie feiern damit den Werk-Gedanken, der heute in digitalen, netzbasierten oder diskursorientierten Trends leicht verloren zu gehen droht.

Die auf den ersten Blick zutage tretende klare graphische Struktur der Bilder erwächst aus einer schrundigen, zerklüfteten Oberfläche. Dem zeichnerischen Liniengefüge glaubt man Gegenständliches  zuordnen zu können, elementare Formen oder Gesten von menschlichem Maßstab in einem ansonsten abstrakten Umfeld. Das lineare Geflecht ist das Resultat eines fast im Wortsinne bildhauerischen Arbeitens. Kanz schafft gerne mit der Hand. Seine Bildträger bestehen aus einfachen Hartfaserplatten, die er mit dem Stechbeitel bearbeitet, in die er Furchen eingräbt und Schollen aushebt. Auf das entstandene Relief wird wechselweise Öl- und Temperafarbe dünn aufgestrichen oder flüssig aufgegossen. Da die Bilder während des gesamten Entstehungsprozesses am Boden liegen, bilden sich stellenweise Farbpfützen, deren Pigmentdichte beim Trocknen in den Vertiefungen eine satte, opake Farbigkeit erzeugt. Aquarellhafte Partien stehen im Kontrast daneben. Die Palette ist reduziert, und gerade darin spielt die Farbe ihre höchsten Trümpfe aus, Leuchtkraft und Nuancenreichtum.

Häufig arbeitet Gerd Kanz gleichzeitig an einer Serie. Wie ein Simultanschachspieler bewegt er sich dann von einem Bild zum anderen, prüft und interveniert. Für ihn hat dieses konzentrierte Arbeiten etwas Meditatives. Dabei sucht er Distanz zu jedem Bild und kann mit den gewonnenen Bewertungen im fortschreitenden Werkprozess neue Ansätze finden, gewinnt Klarheit über die Wirkung der Farbwerte, die sich beim Trocknen verändern.

Die mürbe Oberfläche seiner Bilder entsteht aus Überlagerungen und Durchdringungen. Geschehenes und Geschichtetes fallen zusammen, die Werke tragen die zeitliche Dimension ihres Entstehens sichtbar in sich. Ihre haptische Anmutung ist wesentlich für ihre Wirkung. In dieser haptischen Qualität – häufig berührt Kanz die Oberfläche seiner Werke – manifestiert sich ein elementarer Wert künstlerischer Aneignung der sichtbaren Welt. Es ist die zeichnende Hand, die der französische Philosoph Jacques Derrida einmal mit dem Tasten des Blinden verglichen hat. Im Moment des Zeichnens, so Derrida, entzieht sich die Linie der Kontrolle des Auges, der sie erst wieder im Resultat unterworfen werden kann. „Was heißt zeichnen? fragt van Gogh? Wie gelangt man dorthin? Zeichnen heißt sich einen Weg bahnen durch eine unsichtbare eiserne Wand.“

Die ausdrückliche Einbeziehung des Materials in die Malerei und die Würdigung taktiler, haptischer Relevanz ist ein Kennzeichen der Kunst des Informel, die sich in der Mitte des 20. Jahrhunderts entwickelte, und in deren Tradition sich Kanz ausdrücklich stellt. Die miteinander verwobenen Richtungen wie Tachismus, Abstrakter Expressionismus oder Lyrische Abstraktion, die sich seit der zweiten Hälfte der 1940er Jahre ausdifferenziert haben, sind durchaus heterogen. Während die einen surrealistischen Ansätzen folgen, fußen die anderen auf rationalistischen und analytischen Überlegungen und Experimenten.

Gemeinsam ist allen Strömungen des Informel die Zurückweisung des Primats der Form, die in der geometrischen Abstraktion herrschte. Gemeinsam ist ihnen auch die Prozesshaftigkeit des Werks. Eines sozial oder ideologisch bergenden Rahmens bedarf die informelle Kunst nicht, sie folgt keinem politischen Manifest oder sonstigen „kritischen“ Positionen. Und doch ist gerade das eine politische Haltung, sich der Instrumentalisierung der Kunst zu verweigern.

Gerd Kanz, der an der Kunstakademie in Nürnberg bei so unterschiedlichen Charakteren wie Rolf-Gunter Dienst, Johannes Grützke oder Ludwig Scharl, dessen Meisterschüler er zuletzt war, studiert hatte, fügt dem Informel eine neue Facette hinzu. Im Wissen um die Unbegrenztheit dieses kreativen Ansatzes stellt sich ihm zu keiner Zeit die Frage nach Trends. Kanz stärkt die Autonomie der Kunst, indem er auf ihrer Zweckfreiheit beharrt. Dem Betrachter verwehrt er das allzu leichte Vergnügen des Verstehens im flüchtigen Blick. Dafür schenkt er ihm die Lust der Erkenntnis bei intensiver Betrachtung.

Nicht zuletzt deshalb behauptet er sich international, werden seine Arbeiten nicht nur in Deutschland geschätzt und gesammelt, auch Galerien in Amsterdam oder New York  bedienen sein Sammlerpublikum.

Seit einigen Jahren lebt Gerd Kanz in einer ehemaligen Brauerei im unterfränkischen Untermerzbach, in der sich neben dem großen Atelier auch Ausstellungsräume befinden. Dort kann der Besucher eine aufregende Entdeckung machen: Mit den derzeit präsentierten, im Frühjahr/Sommer 2011 entstandenen Werken dringt der Künstler förmlich in neue Dimensionen vor. Auf den ersten Blick völlig anders als die Bilder der vorangegangenen Periode, erweisen sich die neuen Arbeiten doch auch zugleich als die Ergebnisse eines ebenso kreativen wie konsequenten Weiterdenkens seines künstlerischen Ansatzes. Die Schichtungen und Strukturen seiner früheren Bilder  treten in den neuen Werken mit plastischer Dimension hervor, die aus übereinandergelagerten dreidimensionalen Bogenstellungen entwickelt ist.  Die frühere Farbigkeit, unter vielfältig gebrochenen weißen Lasuren fast bis zur Monochromie getrieben, blitzt nur noch an den Formkanten auf, setzt Akzente und verleiht Konturen. Licht und Schatten modulieren die Raumtiefe. Der Blick führt ins Innere.

Klaus Weschenfelder

In dunkelnden Gärten und Wäldern

Dunkle Gärten. Schattige Winkel, aus denen immer häufiger pflanzliche Wesen hervor lugen. Alte Gemäuer, überzogen von feinen Rissen und Schrunden,  hinter den Gärten. In sie einzutreten ist nicht ganz einfach. Doch hermetisch verschlossen wirken die Bilder von Gerd Kanz nicht, trotz dieser heftigen Gitterzäune, die  oftmals über ihnen ausgebreitet liegen. Die Zäune wirken verwittert, krumm, brüchig. Wir werden ein Schlupfloch finden. Manchmal schon war Gerd Kanz sogar „in hintere Wälder“ vorgedrungen.

Die Gärten, die Wälder locken in ihrer Unübersichtlichkeit. Sie sind nicht gestaltet, nicht gestylt. Sie sind gewachsen über lange Zeit. Das unergründliche Locken in den Bildern mag das Glück sein für Gerd Kanz. Es zieht nicht nur die Menschen in der Region an, sondern lange schon auch an vielen anderen Orten dieser Welt.

Und seit Kanz seinen Garten auch in der faktischen Außenwelt gefunden hat, die alte Brauerei in Untermerzbach, scheint alles „bei sich“, alles am richtigen Ort. Gerd Kanz hat das zwanzig Jahre dem Verfall preisgegebene, riesige Gemäuer und Gelände  am Ortsrand seit 2002 größtenteils eigenhändig renoviert. Jetzt streicht der fast südliche Wind des Itzgrundes an den offenen Fensterflügeln vorbei in die weißen Hallen, über die mal farbintensiven, mal auch eher weiß-grau zurückhaltenden Gärten des Gerd Kanz, die dort hängen. Die Werkstatt ist die wundervollste Galerie. Das Nachbargebäude – war es eine Scheune, ein Stall? – hat Kanz jetzt auch noch verwandelt in eine weiße, kühle Bilderhalle. Der Maler selbst streicht wie eine Katze durch sein Refugium, vorbei an seinen Blumengärten, die ebenfalls seine Liebe geworden sind. Die Blumen wachsen in seine Bilder. – Ja! Das ist so. Keine  bloße Poeterei.

Gerd Kanz ist es gelungen, einen Lebens-Ort für sich zu schaffen. Das ist  heute etwas Besonderes. Von seinem Fleck Erde aus schickt er die lebendigen Elixiere seines Gartens, kondensiert zwischen Öl und Temperafarben, eingelassen in große, jedenfalls aber weiträumig wirkende Holzplatten. Die Menschen riechen und fühlen wohl den Tau oder die starken alten Mauern.

„Ich habe die Bilder gemacht, die ich brauche.“ Den Satz kann sich der Maler im Rückblick auf sein eigenes Werden abringen, im Rückblick auf den Weg aus der Coburger Schulzeit, die erste Werkstatt mit 17, das Studium an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg bei den Professoren  Scharl und Grützke. Gerd Kanz gehört nicht zu denen, die krachen vor Selbstgewissheit. Was stimmt, was klingt falsch, überprüft er in jedem Moment. Sich abzugrenzen gegen die modischen Trends, die Kunstcliquen, den künstlerischen Lifestyle vor allem in den Metropolen, mag gerade ihn Kraft gekostet haben. Sein Erfolg jetzt gibt ihm natürlich recht. Es hätte doch aber auch anders kommen können.

Zu den Hartfaserplatten vom Sperrmüll hat er damals gegriffen, weil er sich die Leinwände nicht leisten konnte. Dann entdeckte er, dass die Holzplatten viel mehr tragen und ertragen können. Er begann, in sie hinein zu kratzen, sich hinein zu graben, mit Hammer und Stechbeitel. Eine Art sehr langsames Zeichnen entwickelte sich. Bis sich am Ende die Farben über die Berge und Täler legen, ist aus der zweidimensionalen Platte längst eine reliefartige Landschaft mit Bergen und Tälern, rissigen Vertiefungen, herausragenden Überhöhungen geworden, also eher etwas Bildhauerisches in völlig eigener Handschrift und Ausstrahlung. Gerd Kanz sagt, seine Bilder wachsen. Sein Vorgehen hat er über die Jahre so verinnerlicht, dass Hände und Instrumente ihren Weg wie alleine gehen. Er nennt es „eine spirituelle Tätigkeit“, blickt beiseite, wird jetzt nicht weiter darauf eingehen. Das Kreuz jedenfalls ist eines der Symbole, das immer wieder erscheint in den Strukturen seiner Bilder.

Vor  über 25 Jahren hat Kanz zum ersten Mal im Coburger Kunstverein ausgestellt. Der Debütantenpreis des Freistaates Bayern, den er mit 28 Jahren erhielt, verschaffte ihm eine eigene Ausstellung dort und vor allem einen Katalog, etwas zum Vorweisen, einen guten Start. „Ich hatte Glück, dass ich schon früh gute Galeristen fand.“ Von „Glück“ spricht Kanz mehrmals. Vielleicht aber sind es ja die Ausstrahlung und die Eigenständigkeit seines Stiles, die auch die Fachleute überzeugen? „Ich mach´ ja immer das Gleiche“, sagt Kanz so lapidar. „Das immer Gleiche“ aber ist eine vielschichtige, lebendige Welt ohne Anfang und Ende. Sie setzt die Gedanken und Gefühle des Besuchers frei. Sie wird, seit Kanz sich in den alten Gemäuern am Rande der Itzgrund-Wiesen niedergelassen hat, sogar spürbar lebendiger, figürlicher. – Die Blumen halt, der Wind, oder was auch sonst. Man spürt es in den Räumen und Hallen der alten Brauerei.

Seit einiger Zeit vertraut Gerd Kanz, heiterer und spielerischer, seinen Malgründen sogar Blumenmotive an, im kleineren Format, in leichterer Existenz. Zudem haben die hellen, lichten Farben viel Raum erhalten, besonders in der Serie des zurückliegenden Jahres. Darin war das Motiv des Jongleurs Metapher für das Ringen um Balance, der eigenen selbstverständlich auch. Der Jongleur braucht Bodenhaftung und löst sich zugleich in seinem Spiel. Seine Bälle fliegen aus der Konzentration wie aus der Intuition. Auf dieser Suche, jetzt übrigens auch wieder im irritierend leuchtenden Blau, will Gerd Kanz bleiben.

Dr. Carolin Herrmann, Feuilleton-Redakteurin Coburger Tageblatt, nach einem Werkstattbesuch

Klaus Flemming: Inkrustationen von Zeit.
Eine Realität jenseits der Realität

„Denn alle Schönheit hat ja das an sich, dass man zuvor nichts von ihr wissen konnte.“ (Rolf Vollmann)

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Jürgen Emmert: Von der Schönheit der Wirklichkeit

„Schönheit ist Wahrheit, Wahrheit Schönheit, — das ist alles, was wir auf Erden wissen und alles, was wir wissen müssen.“
(John Keats, Ode an eine griechische Urne)

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Reinhild Schneider: Landschaften — Weltinnenbilder

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